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Typologie

Typologie

Mit Typologie ist eine Art der Auslegung von Bibeltexten gemeint, die die christliche Kunst von der Antike bis ins Spätmittelalter nachhaltig bestimmte. Hinter so großartigen Werken wie den Türreliefs am Gurker Dom oder den Fresken in der Bischofskapelle steht ein komplexes typologisches Programm. Die Typologie besagt, dass jeder Bibeltext nicht nur einen wörtlichen Sinn hat, sondern auch einen übertragenen. Alttestamentlichen Ereignissen und Bildern wird eine Bedeutung zugemessen, die sie aus sich nicht haben, sie jedoch zu schattenhaften Vorausbildern (altgr.: typoi) eines neutestamentlichen Ereignisses (altgr.: antitypos) werden lassen. So können auch die moralisch schwierigsten alttestamentlichen Texte eine positive Bedeutung erhalten.

In der christlichen Antike wurden vier Bedeutungsebenen ein und desselben Bibeltextes ausgemacht: die historische, die allegorische, die moralische und die anagogische. „Jerusalem“ meint z.B. im Litterarsinn die historische Stadt Jerusalem, im übertragenen Sinn die christliche Kirche, im moralischen Sinn das Leben der ChristInnen nach der Bergpredigt und im anagogischen Sinn das „Himmlische Jerusalem“ als Bild der zukünftigen Vollendung der Welt, nach dem ChristInnen ausschauen.
Augustinus verband diese Art der Schriftauslegung mit seiner Geschichtstheologie, nach der er die Geschichte in drei Zeitalter einteilte: ante legem – von der Erschaffung der Welt bis zur Übergabe der Gesetzestafeln am Sinai, sub lege – die Zeit unter dem Gesetz und sub gratia – unter der Gnade, seit der Geburt Christi. So konnte mehreren alttestamentlichen „Prophezeiungen“ dieser Art (ante legem, sub lege, Propheten- und Weisheitsliteratur) eine neutestamentliche „Erfüllung“ (sub gratia) entgegen gestellt werden.
Mittelalterliche, meist bebilderte Handbücher wie die sog. Bible moralisée, der Pictor in carmine, die Biblia pauperum, das Speculum humanae salvationis oder die Concordantiae caritatis, die ursprünglich zu katechetischen Zwecken eine Fülle solcher Querverweise zwischen Altem und Neuem Testament herstellten, boten für Künstler die inhaltlichen Quellen, aus denen sie nahezu unerschöpflich schöpfen konnten.

Die Typologie, die schon bei Philo von Alexandrien im hellenistischen Judentum bekannt ist, wird in der christlichen Antike und im Mittelalter vor allem zu propagandistischen Zwecken entwickelt und zu einer komplexen Kunst der Schriftauslegung ausgebaut in Reaktion auf christliche Bewegungen, die das Alte Testament als grausam und durch das Neue Testament überholt rundweg ablehnten wie Manichäer, Katharer und Waldenser.

(Josef Suntinger)

Foto: Biblia pauperum, Cod. Pal. germ. 438, f. 112v, ostmitteldeutsch, um 1455 (wikimedia)

Beispiele:

Altes Kreuz